Teil I – 6 Tipps, wie Sie mit Ihrem Team die Kraft der Visualisierung entfalten

    von David Naef am 23.07.2020 11:23:30

    Warum stiften gemeinsam erarbeitete Visualisierungen einen tieferen Sinn als stapelweise Dokumente? Was hatten Menschen aus der Jungsteinzeit manchen Managementteams voraus? Und wie kann man mit einfachen Symbolen und Bildern wirkungsvolle Konzepte und Innovationen erarbeiten? Welche Grundhaltung und Tools Sie für eine erfolgreiche visuelle Kollaboration benötigen und wie man dabei erst noch Spass bei der Arbeit plus die Identifikation mit dem Unternehmen fördert, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.

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    Die Kraft der Visualisierung mit Design-Thinking-Techniken entfalten

    Gut Ding will Bild haben

    Lassen Sie uns zu Beginn eine Handvoll Prämissen festlegen:

    • Jede Person ist kreativ und somit fähig zur Lösungsfindung.
    • Jede Person kann zeichnen. Ich spreche hier nicht von einer fotorealistischen Abbildung der Realität mit Bleistift oder Tusche, sondern von der Übersetzung der eigenen Gedanken in Symbole und Zeichen, damit diese für andere sichtbar werden und bleiben.
    • Einfache grafische Elemente und Bilder bergen eine intuitive, universelle Wirkkraft in sich, die weitgehend unabhängig von Sprache, Alter und Rolle funktioniert.

    Die Fähigkeit, mittels handgezeichneter Symbole und grafischer Modelle zu kommunizieren, erachten wir oft allzu beiläufig als naturgegeben und völlig selbstverständlich. Sie ist aber nichts weniger als eine bahnbrechende Errungenschaft der Menschheit (siehe auch nächster Abschnitt). Diese spezielle Gabe ermöglicht es uns, in Echtzeit und mit einfachsten Mitteln anderen Menschen einen Sinn zu vermitteln von bestimmten Dingen oder Umständen, eine Geschichte zu illustrieren oder etwas zu erklären. Dazu reicht ein Stift, ein Stück Kohle oder Kreide, dazu ein Untergrund wie eine Wand, ein Blatt Papier oder eine Asphaltfläche. Man kann damit Gefühle wecken, grosse Freude entfachen – indem man etwa ein Spielfeld zeichnet oder eine lustige Figur der eigenen Fantasie entspringen lässt –, aber auch anzustrebende Ziele abbilden.

    In allererster Linie dient diese wertvolle Eigenheit unserer Art meines Erachtens einem gruppendynamischen, sinnstiftenden Zweck: Gemeinsam mit anderen Menschen neue Lösungsansätze, höhere Akzeptanz und ein ausgeprägtes Wir-Gefühl zu generieren.

    Motivationsseminare im jungsteinzeitlichen Meetingraum

    Was haben die Menschen der Jungsteinzeit mit zeitgemässer Kollaboration in Unternehmen zu tun? Erlauben Sie mir einen kurzen Exkurs über die vermutliche Geburtsstunde der visuellen Kommunikation. Die Höhlenmalereien von Lascaux sind ein eindrückliches Beispiel für eine reichhaltige, über mehrere Jahrtausende hinweg erschaffene Sammlung von Kunstwerken und grafischen Darstellungen unterschiedlichster Motive.

    Manche Werke und Konstellationen dürften spirituellen Ursprungs gewesen sein, in Trance und während Zeremonien angefertigt, andere dienten der Darstellung von häufig vorkommenden Spezies und Jagdtieren und könnten einem pädagogischen Zweck gedient haben. Andere würde man aus heutiger Sicht der Malerei oder Kunst, also der Selbstverwirklichung und Selbstdarstellung, zuordnen.

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    Höhlenmalereien in Altamira, die mit jenen von Lascaux vergleichbar sind

    Die kultische Dimension von Gewölben wie jene in Lascaux deutet darauf hin, dass sie nur zu speziellen Gelegenheiten aufgesucht worden sind. Der Begriff «Höhlenbewohner» wird dieser frühen Menschheitskultur nicht gerecht, da man nicht in Höhlen gewohnt, sondern diese als Orte der Zusammenkunft und Einschwörung benutzt hat. Aus heutiger Sicht sind die Höhlen also eher als religiöse Kultstätte oder Meetingräume zu verstehen denn als aufwändig dekorierte Wohnzimmer.

    Ein interessanter Deutungsansatz der Höhlenkunst aus Führungssicht geht dahin, dass es sich bei manchen Darstellungen nicht um rückblickende Motive handelt, sprich die bildliche Darstellung einer vergangenen erfolgreichen Jagd als Retrospektive. Vielmehr könnten sie einen Blick in die Zukunft – also die Vorbereitung und Planung eines Vorhabens – zum Ausdruck bringen. Ein Zukunftsforscher würde diese Betrachtung vielleicht als Re-Gnose bezeichnen.

    Es ist vorstellbar, dass manche der grossformatigen Bilder von Tieren in Kombination mit abstrakten Zeichen wie Punkten oder Gittern dazu dienten, die Gruppe auf einen bevorstehenden Streifzug in unbekannte Gefilde einzustimmen, das Jagdglück zu beschwören und das Vorhaben zu besprechen. Gut vorstellbar, dass es auch darum ging, Rollen und Zuständigkeiten zu verteilen: Die gemalte Höhle als Meetingraum für die Jagdgesellschaft sozusagen.

    Warum dieser Exkurs? Wir können davon ausgehen, dass der über hunderte von Generationen gepflegte Umgang mit eigens oder in der Gruppe gezeichneten Bildern, Symbolen und der damit verbundenen Sinnstiftung in uns genauso stark wirksam ist wie vor Zehntausenden von Jahren. Eigentlich scheint dieser Umstand allerseits klar und verständlich. Man kann sich fragen, warum zahlreiche Führungskräfte und Teams trotzdem weitgehend davon absehen, auf selbstgemachte Visualisierungen in der Zusammenarbeit zu setzen und stattdessen alle Ebenen der Zusammenarbeit verschriftlichen, reglementieren und notieren. Dabei gäbe es stichhaltige Argumente für den vermehrten Einsatz von visualisierten Methoden der Zusammenarbeit, beispielsweise mit Praktiken aus dem Design Thinking.

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    Aller Anfang ist (gar nicht so) schwer

    Folgende Voraussetzungen müssen zwingend erfüllt sein, um Visualisierungs- und Design-Thinking-Methoden anzuwenden:

    • Ein bisschen Mut, eine positive Einstellung und eine Portion Vorstellungskraft – ohne diese drei Treibstoffe geht es leider nicht.
    • Ein heller Raum für eine Gruppengrösse gemäss Ihrem Bedarf (man sollte sich frei bewegen können, also keine allzu engen Meeting-Räume) mit möglichst vielen leeren Wänden und idealerweise ein bis zwei grossen, leeren Tischen und Sitzgelegenheiten.
    • Essenzielle Grundausrüstung: Breite Filzstifte in Grün, Blau, Rot und Schwarz. Dazu Post-its in XXL und L, ein breites Malerklebeband, ein paar Dutzend Blätter in A4- und A3-Grösse, persönliches Schreib- und Notizmaterial, eine Schere, Easyflip-Folien und einen oder zwei Flipcharts.
    • Nice to have aka fancy: Metallene Wandplatten (magnetisch), Plexiglas- oder Glaswände (zur Beschriftung mit Whiteboard-Markern), grosse Whiteboards und eine Plotterpapier-Rolle.

     

    Mit diesen 6 Tipps gelingen Ihre Visualisierungs-Kollaborationen auf Anhieb:

    1 - Hands on

    Fertigen Sie im Team die Visualisierungen ausschliesslich von Hand an. Sie dürfen neben zeichnen und malen auch drucken, kleben, schneiden, arrangieren, beschriften, erweitern, reduzieren und basteln. Die Grundregel dabei lautet: Alles muss sichtbar bleiben und alles wird von allen betrachtet. Alle können alles kommentieren und weiterdenken, niemand wird ausgegrenzt und jeder Gedanke ist wertvoll.

    2 - Simply the best

    Setzen Sie auf allgemein verständliche Metaphern und Analogien. Einfache Symbole, zu denen die meisten Menschen ähnliche Assoziationen aufweisen. Dazu gehören zum Beispiel: Baum, Berg mit Gipfel, Haus seitlich mit Stockwerken, Meer mit Schiffen und Inseln, Landkarte (rudimentär), Apparat (eine Art Maschine), Stadt oder Dorf, Strasse oder Strassennetz, Person gesamt, zwei Personen seitlich, Sonne und Planeten mit Monden, Kopf, Gesicht oder was Ihnen sonst noch einfällt. Auch gut geeignet sind einfache geometrische Formen wie Dreieck, Kreis, Rechteck, Hexagon oder eine Mischform aus denselben.

    Entscheidend ist: Das Bild muss zum Einstieg und auch nach Beendigung der Visualisierung eine Geschichte erzählen können. Hier einige mögliche Beispiele, die als Ausgangsfrage dienen können: «Welche Etappen braucht es, um den Gipfel der Kundenzufriedenheit zu erklimmen, wo stehen wir heute und was ist das oberste Prinzip auf dem Gipfel?», «Nehmen wir an, unsere IT-Infrastruktur wäre ein Haus, dann …», «Was, wenn unser Marketing & Verkauf ein Apparat wäre?» oder «Wäre unsere Belegschaft ein Sonnensystem, dann …». 

    3 - Reduce to the max

    Jede Session unter Einsatz einer Visualisierung benötigt eine klare Ausgangslage, eine Fragestellung oder einen Sachverhalt. Dies hat den Vorteil, dass entsprechende Meetings, in denen am Thema gearbeitet wird, eine für alle klar verständliche Stossrichtung aufweisen.

    Darauf aufbauend: Achten Sie darauf, dass Visualisierungen sauber erkennbar, reduziert und allgemein verständlich gehalten sind. Es dürfen immer auch Worte als Ergänzung im Kern vorkommen, ausser man schliesst diese explizit aus. Wenn Sie zum Beispiel alle Teammitglieder auffordern, zu einem bestimmten Aspekt ihr ideales Zukunftsbild auf je ein Flipchart-Blatt zu zeichnen und anschliessend in der Gruppe zu erläutern, sollten diese Werke keine schriftlichen Begriffe enthalten, um Abkürzungen und Bequemlichkeiten vorzubeugen.

    4 - Form follows function

    Visualisierungen eignen sich besonders gut, um Dinge in einen Zusammenhang zu setzen, Konstellationen aufzuzeigen oder Wirkungskomponenten gegenüberzustellen. Selbiges gilt auch für Abläufe oder Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Hingegen das Aufzählen von Faktoren, das Sammeln von Einflusskomponenten oder das Abfassen von konkreten Aufgaben sollte weiterhin schriftlich geschehen. Überlegen Sie sich für jede Art von Information, welche Form ihr naturgemäss am gerechtesten wird: Komplett visualisieren, als Mischform abbilden oder schriftlich festhalten.

    5 – Symbols and rituals make a difference

    Drucken Sie öfters mal ein Bild, einen Begriff oder ein Foto aus und hängen Sie es an einer prominenten Stelle auf, die vom Team regelmässig wahrgenommen wird. Oder erschaffen Sie ein Kunstwerk (falls Sie Unterstützung brauchen, rufen Sie uns an 😉 ), das anlässlich eines World-Coffee-Events oder einer Zukunftskonferenz gemeinsam erarbeitet wird und das Ihre Räumlichkeiten, den Vorplatz oder den Eingangsbereich schmückt. Scheuen Sie sich nicht davor, auch an traditionellen internen Events oder mit Kunden auf Visualisierungen zu setzen. Das kann eine kurze Session vor dem Weihnachtsessen oder eine grosse, beschreib- und gestaltbare Gedankenwand beim Eingang eines Kundenevents sein, darüber die Frage: «Worauf freuen Sie sich besonders?». Die Gedanken sind frei.

    6 - The big picture

    Machen Sie sich und Ihr Team fit in Visualisierungstechniken, machen Sie diese zu einer Tradition. Es handelt sich dabei um eine Kernkompetenz der Zukunftsfähigkeit wie Rhetorik, vernetztes Denken und rasche Auffassungsgabe, die zur Meisterung zukünftiger Herausforderungen unabdingbar ist. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, ergo geht der Kompetenzaufbau nicht von heute auf morgen. Mit jedem Zusammenkommen werden Sie als Kollektiv besser darin.

    Wie Sie anhand einer konkreten Anwendung einer Design-Thinking-Methode reichhaltige Resultate in kollaborativen Innovationsprozessen erzeugen, erfahren Sie im zweiten Teil zum Thema Visualisierungstechniken.

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    Themen: Kultur, Unternehmensentwicklung

    Autor: David Naef

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